Warum Rinder retten? Was kann ich persönlich tun?

Wie kommt es, dass so viele Menschen Hunde aus dem Ausland retten, aber gleichzeitig blind sind für das Elend unter ihrer Nase? Wie kommt es, dass sich Hunde- und Katzenhalter als "Tierfreunde" bezeichnen, während das Grillsteak auf dem Teller liegt? Warum werden Hunde und Katzen gerettet (und mit Fleisch gefüttert) - aber "Nutztiere" bedenkenlos ihrem Schicksal überlassen? Aber es ändert sich etwas: auch "alte" Legehennen und "ausgediente" Milchkühe haben manchmal eine Chance auf ein Leben nach dem Elend der Nutztierhaltung. Die Chance ist allerdings geringer als eine 6 im Lotto - diese Tiere brauchen noch viel mehr Unterstützer!

Übrigens: nein, der Freikauf eines Rindes beflügelt nicht die "Nachproduktion" von Tieren seitens der Landwirtschaft. Dieses Argument stammt aus dem Kampf gegen "Wühltischwelpen". Dort hat es seine Berechtigung, denn diese Hunde werden von ausbeuterischen Vemehrern für den Privatmarkt gezüchtet. Bei Rindern ist das anders: das landwirtschaftliche System ist von vorne herein auf Überproduktion angelegt und darauf, als "Nebenprodukt" lebende Tiere als "Abfall" zu erzeugen. Tiere, die nicht oder nicht mehr zu Geld gemacht werden können. Auch rein zahlenmäßig fällt der Freikauf einzelner Rinder nicht ins Gewicht: hier stehen ein paar Dutzend Rinder auf Lebendhöfen ca. 11 Millionen Rindern gegenüber, die in diesem tierverachtenden System verbleiben.

Nicht zu unterschätzen ist auch das Beispiel, mit dem wir voran gehen: wir nutzen unser Geld für das Leben von Rindern statt (durch Fleischkauf) für ihren Tod. Von einer Rinderpatenschaft zu erzählen, bringt Menschen dazu, ihren Fleisch- und Milchkonsum zu überdenken.

Aber die besten BotschafterInnen für Rinderleben statt Rindertod sind unsere wunderbaren Rinder selbst! Wer einen Nachmittag mit diesen sanften Riesen verbracht hat, wird ihnen ihre Würde und ihr Lebensrecht nicht mehr absprechen.

Rinderhaltung: Anbindehaltung und Laufstall

Noch immer leben in Deutschland Millionen von Kühen ihr ganzes Leben lang in Anbindehaltung, über Jahre hinweg kurz am Hals festgebunden. Sie können sich nicht umdrehen, kaum bewegen, nicht bequem hinlegen, nicht kratzen und auch sonst keine Körperpflege betreiben. Den hochsozialen Tieren sind Körperkontakt zu anderen und gemeinsame Aktivitäten verwehrt. Mutterkühe müssen in dieser Zwangshaltung gebären und können sich nicht um ihren Nachwuchs kümmern. Etwas Hoffnung gibt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 3.2.22 (4K2151/19), mit dem ein Anbindestall geschlossen wurde (Deutsches Tierärzteblatt 2022;70(7)).

Doch auch in modernen "Freilauf"ställen ist das Leben der Milchkühe hart. Der Platz ist knapp, für Tiere mit Hörnern reicht er idR nicht. Naturboden oder Weidegang bleiben verwehrt. Seit der Wert pro Einzeltier gesunken ist, werden sie oft nicht ausreichend medizinisch versorgt, Schwergeburten bleiben einfach liegen. Oft genug werden sie unter Gewaltanwendung in die Melkstände gezwungen, Prügel sind in vielen Ställen an der Tagesordnung. Ängstliche Rinder verzögern den Betriebsablauf und werden abgestraft, was ihre Angst noch verstärkt.

Aber im Allgäu ist es doch schön, da gibt es noch Kuhweiden! Ist das so? Auch im Allgäu oder in Oberbayern sieht man nur noch vereinzelt ein wenig Jungvieh auf der Weide, die allermeisten Milchkühe stehen heute im Stall. Die saftigen grünen Wiesen lassen sich ökonomischer bearbeiten, wenn keine Zäune im Weg stehen. Schau mal genau hin im nächsten Urlaub!

Ist das Holsteiner Rind eine Qualzucht?

Die Holsteiner, Schwarzbunte oder Holstein-Friesian ist eine Hochleistungsmilchkuh, die 10.000 - 12.000 kg Milch pro Jahr erbringen kann. Das bleibt nicht ohne gesundheitliche Folgen: in der Hochlaktation (Laktation heißt: Milchabgabe) nach der Geburt kann die Kuh gar nicht mehr so viel fressen, wie sie an Energie für die Milchproduktion verbraucht. Sie ist genetisch auf "alle Energie geht in die Mlch" programmiert. Eine negative Energiebilanz - man kann auch einfach sagen: Hunger - ist die Folge. Der ganze Stoffwechsel gerät in eine Schieflage. 70 bis über 80% der Kühe erkranken während der Laktation, z.T. mehrfach. Die Erkrakungen, u.a. Gebärparese (Festliegen in/ nach der Geburt), Abmagerung, Mastitis (Euterentzündung), Klauenerkrankungen mit Lahmheiten, Stoffwechselstörungen (Fettleber, Ketose, Insulinresistenz u.a.) und Fruchtbarkeitsstörungen sind teilweise sehr schmerzhaft. Die meisten Kühe gehen bereits nach 3 Laktationen, mit 4-5 Jahren, zum Schlachter, wobei der Schlachtpreis dieser ausgemergelten Kühe niedrig ist. Merkmale einer Qualzucht - nämlich Schmerzen und Leiden aufgrund genetischer Ursachen, sind klar erkennbar. Ein "Nebenprodukt" der extrem einseitigen Zucht auf Milchleistung ist, dass die männlichen Kälber, finanziell betrachtet, wertlos sind. (Quelle: Deutsches Tierärzteblatt2022;70(6))

Die Sache mit den Kälbern....

Milchkühe müssen jedes Jahr ein Kalb bekommen, um Milch geben zu können. Dieses Kalb bekommen sie meist nie zu sehen, es wird ihnen bei der Geburt entzogen, oft genug unter Gewaltanwendung aus dem Mutterleib gezerrt, was mit starken Schmerzen und häufig auch Verletzungen verbunden ist. In alten Ställen wird das Kalb hinter den Kühen in einen Verschlag gesteckt, Mutter und Kind rufen einander, aber sie können einander nie berühren. In modernen Ställen werden die Kälber weggebracht, oft werden sie in sogenannten "Kälberiglus" (winzigen Häuschen, in die jeweils ein Kalb hineinpaßt) mit einem kleinen Vorplatz im Freien untergebracht. Sie haben zwar frischen Luft, können sich aber kaum bewegen, sie sehen und hören andere Kälber, aber sie können niemals gemeinsam spielen - Kälber spielen genauso leidenschaftlich wie junge Hunde, wenn sie können! - laufen oder schmusen. Ihre Mutter sehen sie nie, Milch gibt es aus dem Eimer. Besonders tragisch ist das Schicksal der Bullenkälber der Hochleistungsmilchrassen (vor allem die schwarzbunten Holsteiner bzw. Holstein-Friesian): für die Milchindustrie sind sie Abfall - und so werden sie auch behandelt. Während ich diese Zeilen schreibe (August 2022) liegt der Preis eines schwarzbunten Bullenkalbes bei 1,-€ - Verhandlungsbasis (https://bullship.de/rassen/schwarzbunt).

Transport und Schlachthof

Den ausgedienten Milchkühen, die meist schon nach wenigen Jahren körperlich am Ende sind, geht es nicht besser. Eines Tages kommt der LKW zum Schlachthof, die Tiere wissen nicht, wie Ihnen geschieht. Die Kälber bleiben oft unversorgt unterwegs, die Transporter verfügen oft über keine geeigneten Tränken für die Kleinen. Und so landen sie in der Hölle des Schlachthofs, wo die verängstigten Tiere häufig mit Elektroschockern vorwärts getrieben werden. Viele Rinder werden ohne ausreichende Betäubung an den Hinterbeien an das Schlachtband gehängt und geschnitten. Die Überwachung der Schachthöfe ist vollkommen unzureichend - leicht gewinnt man den Eindruck, dass sie an einem einzigen Mann hängt: Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz. Überall, wo er heimlich filmt, entdeckt er skandalöse Zustände. Eine Videoüberwachung der Schlachthöfe, wäre dringend erforderlich, darauf dringt auch die TVT (Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz) seit Jahren. In Frankreich läuft z.Z. ein erfolgreiches Versuchsprojekt hierzu (Bundestoerärzteblatt 2022;70(7)), erste Versuche gibt es auch hier. Aber natürlich hilft die Videoüberwachung auch nur, wenn auch der Wille besteht, Mißstände aufzudecken! Die Videos müssten von unabhängigen Personen gesichtet werden!

Dabei haben die Tiere, die an deutschen Schlachthöfen landen, noch "Glück": viele alte Milchkühe und Kälber gehen auf wochenlange Transporte in sogennante "Drittländer" (nicht-EU Länder) - tierschutzrechtlich ein rechtsfreier Raum.

Transport in Drittländer

Die Transportedingungen sind so grausam, dass viele Tiere unterwegs sterben. Sie hungern und dursten, sterben an Überhitzung oder werden totgetrampelt, wenn sie vor Erschöpfung oder mit gebrochenen Gliedmaßen zu Boden gehen. Besonders häufig sind Knochenbrüche und ausgekugelte Gelenke auf Schiffstransporten, wo die Rinder oft abgekippt werden wie Müll oder, bei einem Gewicht von 500-8oo kg, an einem einzelnen Fuß per Kran auf das Schiff verladen werden. Zur weiteren Information seien vor allem die Dokumentarfilme des WDR und der ARD (Panorama) empfohlen.

Auch junge Kälber und hochtragened Rinder gehen auf diese Transporte. Animals´Angels berichten in ihrem Jahresbericht 2021 z.B. von einem Transport dänischer und österreichischer Färsen (Jungkühen nach der ersten Belegung) nach Usbekistan. Und einem Kälbchen, das auf dem LKW auf die Welt kommt....

Die ärmsten der Armen überleben die Transporte und werden am Ende geschächtet, d.h. in aller Regel ohne jegliche Betäubung niedergemetzelt. Da es in den betreffenden Ländern an geeigneten Halteapparaten fehlt, werden sie zuvor oft schwer verstümmelt (Ausstechen der Augen, Durchtrennen der Achilessehnen), um Ihnen gefahrlos den Hals aufschneiden zu können.

"Mit Müll kannst Du Geld machen" - das Geschäft mit kranken Rindern

Im schleswig-holsteinischen Flintbeck wurde aufgedeckt, wie ein kleiner, familienbetriebener Schlachthof Geld mit kranke Tieren machte, die z.T. nicht einmal mehr selbständig den Transporter verlassen konnten. Für viele nicht mehr als "Müll" - das Zitat oben stammt von einem der Schlachthofmitarbeiter. Schwere Tierquälereien hatten im Schlachthof System: die Tiere wurden überwiegend vor dem Bolzenshuß nicht fixiert, so dass sie zwar zusammenbrachen, aber bei Bewußtsein blieben. Zusätzlich wurden die Kehlschnitte nicht richtig ausgeführt. In einem der dokumentieren Fälle dauerte der Todeskampf eines Rindes 6 Minuten, es versuchte noch, mit durchschnittener Kehle aufzustehen. Auch Prügel mit einem Holzknüppel gegen den Kopf wurden dokumentiert. Und wieder waren es nicht die Veterinärbehörden, sondern Friedrich Mülln, der den Skandal aufdeckte, der Spiegel berichtete (Der Spiegel, 31/30.7.2022). Übrigens war der Schlachthof schon einmal auffällig geworden, was aber ohne Folgen blieb. Nach bisherigen Erfahrungen ist auch kaum anzunehmen, dass dieser Betrieb die große Ausnahme darstellt.

Wie Rinder leben sollten

Hier seht ihr Fotos unserer Kühe auf dem Lebendhof bei Mittelstadt (Reutlingen): sie liegen gemeinsam oder gehen gemeinsam in den Hof oder auf die Weide. Viele Tiere suchen engen Körperkontakt zu anderen und schmusen regelrecht miteinander. Sie können sich bequem legen und frei bewegen. Sie können sich kratzen und lecken. Sie können ein echtes Rinderleben leben.

Wir züchten selbstverständlich nicht auf unserem Hof. Ich möchte an dieser Stelle dennoch von einer Geburt auf der Weide erzählen: als der Bauer zum nachschauen kam, entdeckte er, dass die tragende Kuh gerade eben geboren hatte. Die Kuh war allein, alle anderen waren am Bach zum trinken. So wollte er die Gelegenheit nutzen und schnell die vorgeschriebene Ohrmarke anbringen. Aber bevor er Mutter und Kind erreicht hatte, war plötzlich die ganze Herde da und bildete eine Wagenburg um die Beiden. So verhalten sich Kühe in einer naturnahen Umgebung!

Was kannst Du tun?

Was kann ein einzelner Mensch schon tun angesichts dieses millionenfachen Leids? Welchen Sinn hat es, ein einzelnes Tier zu retten?

1. Nichtstun ist auch ein Tun: wer nicht "nein" sagt zu dieser Ausbeutung macht sich schuldig

2. Das Ausbeuten der Rinder wird durch die unermeßliche Zahl nicht abstrakt - jedes einzelne Rind leidet und stirbt als Individuum. "Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber es verändert die Welt für dieses Tier" (Butenland)

Mitglied im Verein "Rinderglück269" zu werden und/ oder eine Teil- oder Vollpatenschaft an einem der Rinder zu übernehmen, hilft ganz unmittelbar. Das eingenommene Geld kommt ausschließlich den Tieren zugute, die Vereinsarbeit ist eherenamtlich.

Mitglieds- und Patenschaftsanträge s. unter "Kontakt"

Respekt vor den Tieren lässt sich kaum mit Fleisch- und Milchkonsum verbinden. Wenn Du noch nicht soweit bist: führe Dir beim nächsten Einkauf die Bilder der mißbrauchten Kühe und Kälber vor Augen, wenn Du vor dem Milchregal stehst - vielleicht wird es Dir plötzlich sehr leicht fallen, einen Bogen um diese Produkte zu machen!

Je mehr Menschen vegan leben, umso mehr Druck wird auf die Fleisch- und Milchindustrie ausgeübt. Angesichst der Klimakrise ist Fleischproduktion ohnehin nicht mehr zu vertreten.

ps: auch Hunde lassen sich problemlos vegan ernähren

Aber verzichten fällt schwer...

Häufige Argumente gegen Veganismus sind: "ich könnte nicht auf Milch im Kaffee/ auf Fleisch/ auf Käse...verzichten!" Oder "Veganismus ist unatürlich, der Mensch hat sich in der Steinzeit als Fleischfresser entwickelt". Tatsächlich geht es aber weder ums Verzichten noch um den Geschmack von Käse, schon gar nicht geht es darum, wie der Mensch vor der Entwicklung der Landwirtschaft gelebt hat (mit "natürlich" hat der moderne Fleischkonsum ohnehin nichts zu tun). Es geht vielmehr darum, das Richtige zu tun - oder wenigstens das Unrecht zu unterlassen. Mit welchem Recht halten wir landwirtschaftliche "Nutztiere" unter lebensverachtenden, qualvollen Bedingungen? Mit welchem Recht sprechen wir ihnen eine eigene Würde und ein lebenswertes Leben ab? Mit welchem Recht bringen wir sie unter übewiegend extrem grausamen Bedingungen um? Ist das wirklich eine Geschmacksfrage?!

Ist die Entscheidung für eine vegane Lebensweise erst einmal gefallen, wirst Du spüren, wie gut das tut: Mitgeschöpfen zu helfen, einen Beitrag zur Rettung des Klimas zu leisten, sich gesund zu ernähren. Und wie gut es sich anfühlt, eine Patenschaft an einem Rind zu übernehmen, eine persönliche Beziehung zu einem so wunderbaren Geschöpf aufzubauen! Das ist kein Opfer, sondern ein Gewinn, Du tust Dir selbst Gutes damit!

...zum Schauen und Lesen empfohlen:

Filme:

"Dominion": dieser Dokumentarfilm ist ein Klassiker, das "Schweigen der Lämmer" ist ein Witz dagegen

"Game Changer": warum Leistungssportler vegan werden

Zum Schlachthofskandal in Backnang, zuerst veröffentlicht von Friedrich Mülln/ Report Mainz (Moderation Fritz Frey, ARD 23.8.2022): hier ein Betrag von regio-tv (bitte anklicken)

Bücher:

Werner Lampert: "Die Kuh", wunderschöner Bildband (teNeues 2019)

Friedrich Mülln: "Soko Tierschutz" (Droemer 2022)

Publikationen:

Stellungnahme der Bundestierärztekammer zur Leistung von  Milchkühen (bitte anklicken)